Konferenz: Anerkennung und Anrechnung digital

Berlin, 29. - 30. September 2022

Wie kann die Digitalisierung der Hochschulverwaltung gelingen? Und welche Aspekte sind insbesondere bei digitalen Anerkennungs- und Anrechnungsworkflows zu beachten? Welche Strategien und Wege haben sich hierbei bewährt und welche wichtigen Rahmenbedingungen und Herausforderungen gilt es zu beachten? Rund 170 Teilnehmende erhielten am 29. und 30. September 2022 in Berlin während der Konferenz „Anerkennung und Anrechnung digital“ Impulse und Lösungsvorschläge. Grundlage der Konferenz waren die Ergebnisse der Zukunftswerkstatt „Digitalisierung“ des Projekts MODUS.

HRK-Vizepräsident Prof. Oliver Günther, Ph.D. umriss in seinem Grußwort das Themenfeld: „Für Anrechnung und Anerkennung werden zukünftig technische und digitale Lösungen zur Verfügung stehen, deren Potenzial darin besteht, die bisherigen Prozesse für alle Beteiligten zu vereinfachen und gleichzeitig die Transparenz und Konsistenz der Entscheidungen zu erhöhen.“

Die Vorsitzende der Zukunftswerkstatt Prof. Dr. Monika Gross von der Berliner Hochschule für Technik erläuterte in ihrer Einführung das Vorhaben des Expert:innen-Gremiums, die Hochschulen bei der Ausgestaltung der Prozesse zu unterstützen. Dabei könne die Digitalisierung, wenn sie richtig genutzt werde, Veränderungsprozesse in Hochschulen anstoßen und die Gelegenheit zur Überprüfung sowie Neugestaltung von Abläufen und Verfahren im Sinne der Qualitätsentwicklung geben.

In der Podiumsdiskussion konstatierte Ministerialdirigent Peter Greisler vom Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF), dass es in den letzten Jahren grundlegende Veränderungen gegeben habe, die die Hochschulen individuell umsetzten. Nun brauche es Standardisierung, die wiederum einen Kulturwandel voraussetzten. Dr. Lotte Gabriel-Jürgens von der Technischen Universität Braunschweig sagte, dass wenn die Hochschulen es schafften, prozessual zu denken und über die Grenzen hinweg zu kommunizieren, könnten sie den Wandel schaffen. Die technischen Probleme seien häufig leichter zu lösen als die Organisation der Kommunikation zwischen allen Beteiligten. Prof. Dr. Andreas Wilms, Präsident der Technischen Hochschule Brandenburg, betonte, dass Digitalisierung Change-Management benötige. Dabei seien kleinere Hochschulen zwar flexibler, sie müssten den Wandel aber auch mit weniger Mitarbeitenden bewerkstelligen.

Prof. Dr. Ulrich Schäfermeier von der Fachhochschule Bielefeld wies in seinem Impulsvortrag „Strategien: Anreize und Anlässe“ darauf hin, dass Digitalisierung bei der Standardisierung helfe und umgekehrt die Standardisierung bei der Digitalisierung. Die Dokumentation der Entscheidungen trage zur Transparenz und Reproduzierbarkeit bei, die wiederum die Organisationssicherheit der Studierenden und die Mobilität förderten. Dabei empfehle es sich, einen langfristigen Ansatz zu verfolgen. PIM biete hierbei die Möglichkeit, mit einheitlichen und hochschulübergreifenden Standards zu arbeiten.  Präsentation Schäfermeier.

Maximilian Pinnen vom Deutschen Akademischen Austauschdienst (DAAD) gab unter dem Titel „Europäische Rahmenbedingungen: Digitale Verwaltung internationaler Mobilität“ einen groben Überblick über die verschiedenen Systeme im Rahmen von Erasmus+. Dabei gelte es, die verschiedenen Systeme im Rahmen von Erasmus without Paper (EWP) interoperabel zu machen. Bei der Umsetzung der Schnittstellen und notwendigen Infrastruktur gebe es Probleme, die zu Verschiebungen im ursprünglichen Zeitplan führten.  Präsentation Pinnen.

Katrin Hauenschild vom Ministerium für Infrastruktur und Digitales des Landes Sachsen-Anhalt zog ein erstes Fazit zum Onlinezugangsgesetz (OZG). Das OZG werde bisher häufig mehr verwaltet als gestaltet. Eine erfolgreiche Digitalisierung brauche daher mehr Mut zur Veränderung. Im Bereich der Hochschulen sei schon viel digitalisiert worden, die Hochschulen seien dabei aber sehr unterschiedlich weit fortgeschritten. Es sei herausfordernd, alle Stakeholder einzubinden. Seitdem sie in Netzwerken organisiert seien, funktioniere die Abstimmung deutlich besser.  Präsentation Hauenschild.

Anschließend diskutierten die Impulsgeber:innen in der Speakers‘ Corner mit den Teilnehmenden. Zusätzlich stellte Dr. Harald Gilch vom HIS-Institut für Hochschulentwicklung e.V. die Ergebnisse der von MODUS in Auftrag gegebenen Studie „Erhebung und Kartierung einschlägiger Projekte und Initiativen zur Digitalisierung von Anerkennungs- und Anrechnungsprozessen an Hochschulen“ vor [Poster]. Dr. Laura Wagner vom Zentrum für Qualitätssicherung und -entwicklung (ZQ) der Johannes Gutenberg-Universität Mainz präsentierte die Ergebnisse zum Thema Digitalisierung aus dem „Ersten Auswertungsbericht zur Hochschulbefragung 2021/22“ [Poster]. Dr. Jan Renz vom BMBF vertrat die These: „Nur mit einer digitalen Verknüpfungsinfrastruktur für Bildung können alle Potenziale der Digitalisierung im Bereich Anerkennung und Anrechnung gehoben werden.“

In seiner Keynote bezeichnete Prof. Dr. Peer Pasternack von der Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg die gegenwärtige Phase der Digitalisierung als „Frühdigitalismus“. Spätere Generationen könnten mit Nachsicht auf unsere Bemühungen zurückblicken. Dabei scheiterten Digitalisierungsvorhaben in der Regel nicht am technischen Prozess, sondern weil die Menschen unzulänglich in den Blick genommen würden. Dabei sollten alle Beteiligten realistisch einschätzen, was die jeweils anderen leisten könnten. Die Digitalisierung solle mehr Kräfte freisetzen als binden. Dabei gelte es zu überlegen, wie Entlastungswirkungen erfahrbar gemacht werden können, um die Akzeptanz zu steigern.  Präsentation Pasternack.

Statements

Zu Beginn des zweiten Konferenztages wurde die Informationsseite AN! vorgestellt. Mit diesem Informationsangebot werden Studierende und Studieninteressierte über die Möglichkeiten von Anerkennung und Anrechnung hochschulübergreifend informiert. So werden die Hochschulen beim ersten Prozessschritt der Workflows, der Information der potenziellen Antragstellenden, unterstützt.

Die Empfehlungen aus der Zukunftswerkstatt Digitalisierung“ wurden durch Prof. Dr. Monika Gross, Prof. Dr. Hans Pongratz von der Technischen Universität Dortmund und der Stiftung für Hochschulzulassung sowie Tilman Dörr vom Projekt MODUS vorgestellt. Bei geschätzten 300.000 Verfahren zu Anerkennung und Anrechnung im Jahr sei es wichtig, die Abläufe zu verbessern. Die Digitalisierung der Verfahren könne dies bewirken, um den Aufwand sowohl für Studierende als auch Hochschulmitarbeitende zu verringern. Unter anderem sei es dafür notwendig, innerhalb der Hochschule, insbesondere in den Rektoraten, für das Potenzial und den Nutzen zu werben, den Blickwinkel zu ändern und Netzwerke zu etablieren, um das Thema weiter voranzubringen. Es müsse aber auch vermittelt werden, dass Digitalisierung dauerhaft Geld koste. In Netzwerken könnten z. B. Fördermöglichkeiten strategisch zusammen genutzt werden.



In parallelen Foren wurden die verschiedenen Aspekte der Empfehlungen praktisch vertieft. Das Forum 1: „Strategie: Umsetzungsszenarien“ mit Dr. Harald Gilch, Prof. Dr. Monika Gross, Prof. Dr. Ulrich Schäfermeier und Prof. Dr. Hans Pongratz befasste sich mit der Frage, wie Hochschulen sich der Digitalisierung von Anerkennungs- und Anrechnungsprozessen annähern und sinnvolle Strategien entwickeln können, um sich langfristig gut aufzustellen. Diskutiert wurden wichtige Einflussfaktoren wie  z. B. die Akzeptanz für Veränderungen innerhalb der Hochschule. Prof. Schäfermeier hob dabei hervor, dass es wichtig sei, das Thema überhaupt auf die Tagesordnung innerhalb der Hochschule zu bekommen, da durch viele andere anstehende Themen Ressourcenkonflikte bestünden, die eine Priorisierung erforderlich machten. Prof. Gross und Prof. Pongratz wiesen in diesem Zusammenhang auf die Bedeutung der Überzeugungsarbeit hin, die sowohl die Hochschulleitungen als auch die Fachbereiche leisten müssten. Betont wurde einhellig die notwendige und sinnvolle Einbettung in bestehende Systeme und Strategien, die dabei im Vordergrund stehen sollten, um ressourcenschonend und effektiv vorzugehen. Viele Bestandteile seien schon vorhanden, so Harald Gilch, allerdings in vielen Einzelprojekten und -lösungen. Sie müssten zusammengeführt und verknüpft werden, wie z. B. im PIM-Projekt.

Im Forum 2: „Rahmenbedingungen: Koordination der digitalen Transformation“ diskutierten Thomas Lipke von der Universität Duisburg-Essen und Prof. Dr. Hans Pongratz mit den Teilnehmenden. Nach ihrer Ansicht solle die Nutzer:innenzentrierung bei der Digitalisierung von Prozessen im Mittelpunkt stehen. So gelinge auch die Priorisierung der Themen, wenn sich die Prozesse in den Hochschulen am Student Life Cycle orientierten. Wegen der großen Diversität im Hochschulsektor gebe es nicht den einen Prozess, vielmehr müsse es Baustein-Lösungen geben, um damit Prozesse individuell gestalten zu können. Bei alldem sollten die Mitarbeitenden in den Hochschulen, die an den Prozessen beteiligt sind, integriert werden. Hierzu würden Vermittler:innen bzw. Übersetzungshilfen benötigt.

Dr. Jan Renz (BMBF) moderierte das Gespräch im Forum 3: „Infrastrukturen: Campus-Management-Systeme“ mit Helmut Haimberger von der Technischen Universität Graz (CAMPUSonline), Arn Waßmann von HIS Hochschul-Informations-System eG und Dr. Henning Olbert von Datenlotsen Education Systems GmbH. Die Campus-Management-System-Anbieter waren sich in vielen Fragen einig. Zwischen den Anbietern gebe es einen regelmäßigen Austausch, da sie die gleichen äußeren Vorgaben zu erfüllen haben. An die Hochschulen wurde der Wunsch geäußert, mehr Akzeptanz für noch nicht perfekt laufende Lösungen aufzubringen und eine Vereinheitlichung innerhalb der Hochschule voranzutreiben, sodass Standards besser etabliert und priorisiert werden können. Im Bereich Anerkennung und Anrechnung seien zum Teil schon digitale Workflows implementiert worden, die aber nur wenig genutzt würden. Für die Zukunft empfehlen alle drei Hersteller PIM, zumindest für den Austausch mit anderen Hochschulen. Im Bereich der eigenen Hochschule seien nach ihrer Ansicht interne Lösungen sinnvoller.

Inga Gerling von der Universität Hohenheim, Julian Irlenkäuser von der Technischen Universität Berlin und Dr. Hans Leifgen vom DAAD diskutierten im Forum 4: „Strategien: Mobilität, Anerkennung, Allianzen“ über die Digitalisierung im europäischen Kontext. Dabei wurde beklagt, dass es zum Teil deutlichen Widerstand bei vielen Beteiligten innerhalb der Hochschulen gebe, weil das Verständnis für das große Ganze und Kooperationen fehlten. Die Bereitschaft zu Veränderung leide außerdem unter der bisher schon großen Arbeitsbelastung. Kritisiert wurde auch, dass die Ziele der EU ambitioniert, die dafür zur Verfügung gestellten Ressourcen aber unzureichend seien.

Dr. Janina Hantke und Gerald Lach von der Technischen Universität Berlin sowie Dr. Wolfgang Radenbach von der Georg-August-Universität Göttingen stellten im Forum 5: „Infrastruktur: PIM“ die „Plattform für Inter*nationale Studierendenmobilität“ (PIM) vor. Die Plattform stellt eine übergreifende Lösung für die digitale Abwicklung von Anerkennungsprozessen mit Schnittstellen zum CaMS der jeweiligen Hochschule dar. In einer Live-Show demonstrierte Dr. Wolfgang Radenbach die Funktionsweise anhand einer der vier Antragsprozesse aus Sicht der Nutzer:innen. Im Anschluss an die Live-Demonstration erstellten die Teilnehmenden im Rahmen einer interaktiven Gruppenaufgabe ein sogenanntes Pitch-Deck. Darin wurde zusammengetragen, was aus Hochschulsicht unbedingt von PIM benötigt werde.

In einer abschließenden Gesprächsrunde konnten noch einige Fragen geklärt werden – so auch, welche Hochschulen an PIM partizipieren können. Die bereits in die Projektarbeit integrierten Hochschulen seien über eine Ausschreibung ausgewählt worden und erhielten Fördergelder für die Teilnahme. Weitere Hochschulen könnten sich bis 2024 beteiligen, erhalten jedoch keine Förderung mehr. Ab 2023 sei ein Roll-out möglich und ab 2024 werde die Plattform komplett  für alle Hochschulen geöffnet.  Präsentation PIM.

Robin Dietrich, Martin Herzog und Sebastian Sklarß von der init AG stellten im Forum 6: „Infrastrukturen: XHochschule“ den entstehenden Standard vor. XHochschule ist ein Standardisierungsvorhaben im Kontext des OZG durch das Land Sachsen-Anhalt und das BMBF in der Lebenslage „Studium“. Arn Wassmann (HIS Hochschul-Informations-System eG) begleitete und kommentierte die Präsentation. Mit dem Standard XHochschule solle eine medienbruchfreie Kommunikation zwischen Hochschulen, Studierenden, Behörden und Arbeitgeber:innen ermöglicht werden. Es handele sich dabei um einen inhaltlichen, keinen technischen Standard. Präsentation XHochschule.


Vorträge der Konferenz zum Download


Impulsvorträge

Strategien: Anreize und Anlässe
Prof. Dr. Ulrich Schäfermeier, Fachhochschule Bielefeld

Europäische Rahmenbedingungen: Digitale Verwaltung internationaler Mobilität
Maximilian Pinnen, Deutscher Akademischer Austauschdienst

Nationale Rahmenbedingungen: Onlinezugangsgesetz
Katrin Hauenschild, Ministerium für Infrastruktur und Digitales des Landes
Sachsen-Anhalt

Keynote zum Thema: Digitalisierung und Hochschulverwaltung im Zeitalter des Frühdigitalismus
Prof. Dr. Peer Pasternack, Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg

Digitalisierung öffentlicher Verwaltungen: Governance,Umsetzung, Effekte
Prof. Dr. Sabine Kuhlmann, Universität Potsdam

Empfehlungen aus der Zukunftswerkstatt Digitalisierung
Tilman Dörr, Hochschulrektorenkonferenz
Prof. Dr. Monika Gross, Berliner Hochschule für Technik
Prof. Dr. Hans Pongratz, Technische Universität Dortmund/Stiftung für
Hochschulzulassung


Parallele Foren

Forum 2:
Rahmenbedingungen: Koordination der digitalen Transformation
Thomas Lipke, Universität Duisburg-Essen
Moderation: Prof. Dr. Hans Pongratz, Technische Universität Dortmund/Stiftung für Hochschulzulassung

Forum 5:
Infrastruktur: PIM
Dr. Janina Hantke, Technische Universität Berlin
Gerald Lach, Technische Universität Berlin
Dr. Wolfgang Radenbach, Georg-August-Universität Göttingen

Forum 6:
Infrastruktur: XHochschule
Sebastian Sklarß, init AG für digitale Kommunikation
Kommentar: Arn Waßmann, HIS Hochschul-Informations-System eG

 

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