Häufig gestellte Fragen zur Anrechnung

Die vorliegende Sammlung häufig gestellter Fragen (FAQ) richtet sich vorwiegend an Personen, die an Anrechnungsverfahren in Hochschulen beteiligt sind und vor der Aufgabe stehen, diese Prozesse rechtskonform, transparent und effizient zu gestalten. Die ausgewählten Fragen und Antworten decken in 9 Kapiteln ein breites Spektrum an immer wiederkehrenden Themen ab: von rechtlichen Voraussetzungen, über Fristen, Notenumrechnung und Verfahrensgestaltung bis hin zur inhaltlichen Bewertung.

Einen Schnelleinstieg in Grundlagen, Verfahren und Prüfung im Bereich Anrechnung außerhochschulisch erworbener Kompetenzen und Qualifikationen bietet das Faltblatt Anrechnung.

Rechtlicher und regulatorischer Rahmen

Welche rechtlichen und regulatorischen Vorgaben sind für die Anrechnung relevant?

Für die Anrechnung sind vornehmlich die Hochschulgesetze der Länder maßgeblich, welche entsprechende Vorgaben aufweisen.

Nach derzeitiger Rechtslage (Stand: Mai 2023) gibt es für den Bereich der Anrechnung außerhochschulisch erworbener Kompetenzen keine übergeordnete rechtliche Grundlage. Über die Vorgaben der Landeshochschulgesetze (LHG) hinaus bilden folgende Beschlüsse einen gemeinsamen Orientierungsrahmen:

Laut der meisten Landeshochschulgesetze sowie der Musterrechtsverordnung (gemäß Artikel 4 Absätze 1 - 4 Studienakkreditierungsstaatsvertrag) und den Beschlüssen der KMK aus den Jahren 2002 und 2008 ist die Anrechnung außerhochschulisch erworbener Kompetenzen individuell oder pauschal bis zu einer Höchstgrenze von 50 Prozent der zu erbringenden Studienleistungen möglich. Wenn Inhalt und Niveau dem zu ersetzenden Teil des Studiums gleichwertig sind, die für den Hochschulzugang geltenden Voraussetzungen gewährleistet werden und die qualitativ-inhaltlichen Anrechnungskriterien im Rahmen der Akkreditierung überprüft werden, muss/kann/soll (je nach LHG) angerechnet werden.

Es gibt Ausnahmen bei den Kriterien der Prüfung (Bremisches Hochschulgesetz: § 56(2)): Über die Anrechnung und gegebenenfalls das Nichtbestehen wesentlicher Unterschiede entscheidet die Hochschule. Nachgewiesene Kompetenzen und Fähigkeiten, die außerhalb des Hochschulbereichs erworben wurden und keine wesentlichen Unterschiede zu den in einer Hochschule erworbenen Kompetenzen und Fähigkeiten aufweisen, sind bis zur Hälfte der für das Studienangebot vorgesehenen Leistungspunkte anzurechnen.

Kann eine Hochschule sich aussuchen, ob sie Kompetenzen anrechnet?

Nein, das Gebot der Anrechnung von außerhochschulisch erlangten Kompetenzen besteht an allen Hochschulformen. Laut KMK-Beschluss von 2008 gilt es für alle Hochschulen, „von den bestehenden Möglichkeiten der Anrechnung Gebrauch zu machen und Verfahren und Kriterien für die Anrechnung außerhalb des Hochschulwesens erworbener Kenntnisse und Fähigkeiten in den jeweiligen Prüfungsordnungen zu entwickeln.“

Für welche Personen ist Anrechnung interessant?

Anrechnung ist insbesondere für Studieninteressierte und Studierende ein Thema, die nach der Schule berufliche Qualifikationen, z. B. durch Berufsaus-, Fort- oder Weiterbildung oder in der Berufspraxis, erworben haben.

 

Können Kompetenzen, die im Rahmen ausländischer Berufsabschlüsse erworben wurden, auch auf hochschulische Studiengänge angerechnet werden?

Sofern die im Ausland angeeigneten Kompetenzen nach Inhalt und Niveau den hochschulischen Anforderungen gleichwertig sind, kann eine Anrechnung erfolgen. Die Tatsache, dass diese im Ausland erworben wurden, ist irrelevant. Relevant sind ausschließlich die nachgewiesenen Kompetenzen der antragstellenden Person.

 

Gibt es eine "Halbwertszeit" bzw. ein Verfallsdatum von anrechenbaren Kompetenzen? Beispiel: Das Erlernen der Fähigkeit liegt mehr als zehn Jahre zurück und wurde seitdem nicht aktiv angewandt.

Sofern nachgewiesen werden kann, dass die geforderte Kompetenz erworben wurde, ist es irrelevant, wann diese erworben wurde. Dafür müssen aber die Lernergebnisse in Inhalt und Niveau tatsächlich gleichwertig sein. Wenn beispielsweise in den Neunzigerjahren Programmierkenntnisse erworben wurden, kann man nicht davon ausgehen, dass diese Kompetenzen noch dem aktuellen Standard eines heutigen Hochschulstudiums entsprechen. Wenn also Inhalt und Niveau gleichwertig sind, können Kompetenzen ein Leben lang angerechnet werden.

Inhaltliche Entscheidung/Bewertungskriterien

Ist eine Anrechnung von schulischen Leistungen und genauer gesagt, Inhalten aus dem Abitur (z. B. Facharbeit), möglich?

Sofern die schulischen Leistungen nach Inhalt und Niveau den hochschulischen Anforderungen gleichwertig sind, kann eine Anrechnung erfolgen. Die Tatsache, dass diese in einem schulischen Bildungszusammenhang erworben wurden, ist irrelevant.

 

Können Module auch teilweise angerechnet werden, z. B. wenn nur ein Teil der im Modul zu erwerbenden Kompetenzen vorliegt?

Eine Teilanrechnung ist prinzipiell möglich. Innerhalb des Anrechnungsverfahrens ist zu berücksichtigen, für welche Bestandteile des Moduls Nachweise außerhochschulisch erlangter Kompetenzen erbracht werden. Die Anrechnung von Teilmodulen eignet sich besonders, wenn ein Modul aus klar abgrenzbaren Bestandteilen besteht, die mit Teilprüfungen oder Nachweisen abgeschlossen und anschließend zu einem Modul kumuliert werden. Der Aufwand bei einer Teilanrechnung sollte allerdings im Verhältnis zum Umfang der Anrechnung stehen. Eine Verpflichtung zur Teilanrechnung besteht nicht.

 

Wie wird sichergestellt, dass trotz Anrechnung keine Grundlagen für weitere Module fehlen?

Dies regelt sich durch den Grundsatz der Gleichwertigkeit: Wenn die inhaltliche Übereinstimmung der Kenntnisse und Fähigkeiten als auch das Niveau der vorher erlangten Kompetenzen mit den zu erlangenden übereinstimmen, dann ist sichergestellt, dass die Grundlagen für weitere Module vorhanden sind. Die qualitätsgesicherte Prüfung der Gleichwertigkeit im Anrechnungsverfahren ist dementsprechend von großer Relevanz.

 

Gibt es für Studierende eines dualen Studiengangs gesonderte Aspekte zu beachten?

Das duale Studium als kooperatives Modell zeichnet sich durch eine Verzahnung von Hochschule und Betrieb als Lernorte aus – in diesem Zusammenhang kann man nicht von Anrechnung sprechen. Sollen in einem Anschlussstudium oder bei Studienwechsel Leistungen aus dem dualen Studium "angerechnet" werden, handelt es sich um einen Anerkennungsfall, sofern die Leistung aus einem dualen Studium einer staatlichen oder staatlich anerkannten Hochschule stammt. Betriebliche Anteile müssten mit dem Maßstab der Gleichwertigkeit als Anrechnung berücksichtigt werden.

 

Welche Arten von Kompetenzen können auf ein Studium angerechnet werden?

Angerechnet werden können Kompetenzen, die in unterschiedlichen Bildungszusammenhängen erbracht wurden (Hanft et al. 2014; Cedefop 2008, 86 ff.):

Formal erworbene Kompetenzen werden in organisierten und strukturierten Kontexten erworben und/oder gefördert und durch einen zertifizierten Abschluss belegt (z. B. Schulabschluss, Berufsausbildungs- und Fortbildungsabschluss oder Studium). Formales Lernen ist aus der Sicht der Lernenden zielgerichtet.

Non-formal (auch: nicht formal) erworbene Kompetenzen werden im Rahmen geplanter Tätigkeiten, die ein ausgeprägtes „Lernelement“ beinhalten, erworben, jedoch nicht durch transparente Curricula und Abschlussprüfungen dokumentiert (z. B. innerbetriebliche Weiterbildung). Non-formales Lernen ist durch die Lernenden beabsichtigt.

Informell erworbene Kompetenzen werden durch Praxiserfahrung – insbesondere durch berufliche Erfahrungen – oder im Alltag erworben. Diese Art des Kompetenzerwerbs ist in der Regel nicht intendiert, organisiert oder geplant und wird auch nicht näher dokumentiert. Sie können jedoch durch Arbeitszeugnisse, Arbeitsproben o. ä. nachgewiesen werden.

Können bei Zweifeln an der Anrechenbarkeit auch Gespräche mit den Studierenden geführt werden, um z. B. das Niveau der Kompetenzen zu erfahren?

Sind Kompetenzen nicht oder nicht eindeutig zu belegen, können unterschiedliche Verfahren zur Kompetenzfeststellung angewandt werden. Gespräche von Fachvertreter:innen mit Studierenden sind dazu eine Möglichkeit. Weitere Optionen sind u. a. die Bearbeitung komplexer Aufgaben, Simulation von Arbeitssituationen, Halten von Präsentationen etc. Auch das Erstellen einer kurzen Seminararbeit oder die Überprüfung mittels eines Kompetenztests sind möglich. Jedoch sollte sich der zusätzliche Aufwand im angemessenen Rahmen bewegen. Es darf keine neue Modulprüfung bzw. Benotung stattfinden. (Vgl. Frage "Was sind Kompetenzfeststellungsverfahren?" im Bereich Verfahren.)

 

Was bedeutet „Gleichwertigkeit“ von Lernergebnissen?

Die Gleichwertigkeit einer Leistung bezieht sich auf Inhalt und Niveau und ist Voraussetzung für die Anrechnung. Die Gleichwertigkeit (Äquivalenz) setzt sowohl eine inhaltliche Übereinstimmung als auch ein vergleichbares Niveau von Lernergebnissen aus unterschiedlichen Bildungskontexten voraus. Von der Gleichwertigkeit ist die Gleichartigkeit (Identität) zu unterscheiden. Während letztere eine einhundertprozentige Übereinstimmung verlangt, sind bei der Gleichwertigkeit Unterschiede zulässig. Daher ist es eine Möglichkeit, vorab einen Deckungsgrad (z. B. 75 Prozent) zu definieren.

Bei der Anrechnung außerhochschulischer Leistungen muss die Gleichwertigkeit – also die Anrechnungsgrundlage – von den Antragsteller:innen belegt werden. Anders als bei der Anerkennung gibt es hier also i. d. R. keine Beweislastumkehr, die Beweislast liegt bei den Studierenden.

 

Was ist der Unterschied zwischen der Prüfung des wesentlichen Unterschieds und der Gleichwertigkeit?

Die Prüfung des wesentlichen Unterschieds einer Kompetenz/Leistung ist bei der Anerkennung gefragt. Bei der Anrechnung wird die Gleichwertigkeit geprüft. Die Verfahren unterscheiden sich vor allem hinsichtlich der Beweislast. Bei der Anrechnung liegt die Beweislast bei den Studierenden. Sie müssen eine Gegenüberstellung der erworbenen und zu erwerbenden Kompetenzen einreichen, um zu zeigen, dass die vorab erlangten Kompetenzen mit dem Studium in Inhalt und Niveau gleichwertig sind. Ebenso müssen die Studierenden alle Unterlagen und Nachweise einreichen (Mitwirkungspflicht). Bei der Anerkennung liegt die Beweislast bei der Hochschule (Beweislastumkehr), es besteht allerdings auch eine Mitwirkungspflicht der Studierenden.

 

Was versteht man unter einem Äquivalenzvergleich / der Gleichwertigkeitsprüfung?

Der Äquivalenzvergleich (Gleichwertigkeitsprüfung) ist der systematische Vergleich der anzurechnenden Kenntnisse und Fähigkeiten mit den Lernergebnissen der Studienmodule, auf die angerechnet werden soll. Er bildet die Basis von pauschalen und individuellen Anrechnungsentscheidungen. Grundsätzlich ist bei einem Äquivalenzvergleich keine vollständige Abdeckung der Lernergebnisse des Studienmoduls durch bereits vorhandene Kenntnisse und Fähigkeiten zu erwarten. Häufig wird ein prozentualer Deckungsgrad der Lernergebnisse eines Studienmoduls als Voraussetzung für eine Anrechnung erwartet (z. B. Deckungsgrad von 75 Prozent vorab definieren, vgl. Frage Was bedeutet „Gleichwertigkeit“ von Lernergebnissen?" s.o.).

Der Äquivalenzvergleich für die individuelle Anrechnung muss bei jedem Antrag stattfinden und bedeutet einen hohen individuellen Zeitaufwand. Für die pauschale Anrechnung wird der Äquivalenzvergleich einmal vorab getätigt, sodass der zeitliche Aufwand nur am Anfang des Prozesses hoch ist.

 

Welche Referenzsysteme können für die Prüfung verwendet werden?

Referenzsysteme dienen dazu, die ermittelten Lernergebnisse in einer einheitlichen Beschreibungssprache darzustellen, um die Gleichwertigkeit der erworbenen Kompetenzen zu vergleichen (Äquivalenzvergleich). Die folgenden Systeme können u. a. genutzt werden:

  • Generische Lernzieltaxonomien z. B. Bloom (1956) oder Anderson/Krathwohl (2001),

  • Qualifikationsrahmen, insbesondere der Qualifikationsrahmen für Deutsche Hochschulabschlüsse (HQR), der die Stufen 6 - 8 des Deutschen Qualifikationsrahmens (DQR) für die hochschulische Bildung näher ausführt oder ein entsprechender Fachqualifikationsrahmen (FQR).

 

Verfahren

Was sind Vor- und Nachteile der individuellen und pauschalen Anrechnung?

Die individuelle Anrechnung hat den Vorteil, dass sie flexibel eingesetzt werden kann und hierdurch individuelle Bildungsbiographien Berücksichtigung finden können. Sie ist vor allem sinnvoll bei niedrigen Fallzahlen und unterschiedlich gearteten Anrechnungsfällen. Durch den individuellen Faktor erzeugt sie allerdings einen hohen Arbeitsaufwand auf beiden Seiten – sowohl für Antragsteller:innen als auch Prüfende. Zudem kann ein Antrag i. d. R. erst nach Immatrikulation gestellt werden, sodass Studienanfänger:innen vorab keine Gewissheit über mögliche Zeit- und Arbeitsaufwandseinsparungen haben.

Die pauschale Anrechnung bietet bereits vor der Entscheidung für ein Studium die Garantie auf Anrechnung, was die Attraktivität des Studienangebots steigern und die Entscheidung für ein Studium positiv beeinflussen könnte. Durch die Einführung pauschaler Verfahren ist eine schnelle Anrechnung möglich und es sind weniger Einzelfallanrechnungen notwendig. Der Nachteil besteht hier eher in dem höheren Initialaufwand: Für die Einführung pauschaler Verfahren ist die Äquivalenzprüfung einmalig vorab durchzuführen, z. B. anhand eines umfassenden qualitativen und quantitativen Vergleichs der eigenen Curricula und Lernergebnisbeschreibungen mit dem Rahmenlehrplan einer Aus-, Fort- oder Weiterbildung. Dieser Äquivalenzvergleich sollte in regelmäßigen Abständen überprüft und aktualisiert werden.

 

Kann eine Anrechnung auf Antrag der Studierenden wieder rückgängig gemacht werden?

Eine Anrechnung erfolgt nur auf Antrag von Studierenden. Sobald über den Antrag auf Anrechnung entschieden wurde, kann der Antrag nicht mehr zurückgezogen werden. Während das Verfahren läuft, sollte ein Antrag zurückgezogen werden können. Dies betrifft insbesondere Anrechnungsanträge während des ersten Semesters, bei dem häufig Kurse belegt werden müssen, über deren Anrechnung noch entschieden werden muss. Deswegen sollten vor der Einreichung der Anträge und insbesondere zu Beginn des Studiums Beratungsmöglichkeiten und Anleitungen für Studierende angeboten werden, um diese genau über den Verfahrensprozess aufzuklären und bei der adäquaten Erstellung eines Anrechnungsportfolios zu unterstützen.

 

Was versteht man unter einem Anrechnungsportfolio?

In Anrechnungsverfahren muss die antragstellende Person das Vorhandensein einer Kompetenz selbst belegen. Verbreitet ist hierfür die Erstellung sogenannter (Anrechnungs-)Portfolios, in welchen die vorhandenen Kompetenzen samt Belegen dokumentiert und den Lernzielen des jeweiligen Moduls zugeordnet werden. Dies dient der Sichtbarmachung eigener Kenntnisse und Fähigkeiten und der Dokumentation formal, non-formal und informell erworbener Kompetenzen. Die antragstellende Person reflektiert und dokumentiert den Prozess der Kompetenzaneignung und die erworbenen Lernergebnisse selbständig und setzt diese in Bezug zu den gemäß Modulbeschreibung zu erzielenden Lernergebnissen. Die Angaben im Portfolio müssen durch Fachexpert:innen auf Gleichwertigkeit überprüft werden (vgl. Frage: "Was versteht man unter einem Äquivalenzvergleich / der Gleichwertigkeitsprüfung?" im Bereich Inhaltliche Entscheidung/Bewertungskriterien). Um eine möglichst realistische Selbsteinschätzung der Kompetenzen im Portfolio durch die Studierenden zu gewährleisten, ist es notwendig, die Studierenden zu befähigen, diese Einschätzung selbstständig vorzunehmen. Hierfür könnten sich Fragebögen, Leitfäden, Checklisten und ggf. Workshops in Verbindung mit einer persönlichen Beratung eignen. Das Angebot einer persönlichen Beratung sollte generell im Vordergrund stehen.

 

Was passiert, wenn ein Antrag auf Anrechnung abgelehnt wurde?

Ablehnungen eines Anrechnungsantrags müssen hinreichend begründet werden und eine Rechtsbehelfsbelehrung sollte darin eingeschlossen sein. Studierende können gegen eine solche Ablehnung i. d. R. Widerspruch einlegen und/oder Klage erheben (bundeslandspezifisch). In manchen Bundesländern ist auch die Beantragung einer Überprüfung durch die Hochschulleitung möglich.

 

Was sind Kompetenzfeststellungsverfahren?

Sofern die Aktenlage keine eindeutige Beurteilung der Kompetenzen zulässt, können sogenannte Kompetenzfeststellungsverfahren hinzugezogen werden. Diese können zur Validierung von Inhalt und Niveau der nicht anhand der Aktenlage darstellbaren Kompetenzen genutzt werden.

Zu den Kompetenzfeststellungsverfahren zählen z. B.

  • Erstellung von (Seminar-)Arbeiten (z. B. zu fachlich relevanten Themen),

  • Bearbeitung komplexer Aufgaben mit berufstypischen Arbeitsanforderungen,

  • Diskussionen/Fachgespräche/Interviews,

  • Präsentationen,

  • Simulationen von Arbeitssituationen,

  • Beobachtungen und

  • Kompetenztests zur Analyse von Kompetenzen.

Kompetenzfeststellungsverfahren sollten vorab in Art und Umfang geregelt sein. Sie sollten nicht zu einer unangemessenen Belastung für die Antragsteller:innen führen und stellen keine erneute Prüfung dar. Aus der Kompetenzfeststellung resultiert zudem keine erneute Bewertung (im Sinne von Benotung). Ein solches Verfahren sollte schlussendlich nur bei stichhaltigen Hinweisen auf fehlende Kompetenzen geführt werden.

 

Bekommen Antragsteller:innen im Fall eines pauschalen Anrechnungsverfahrens auch einen Bescheid?

Auch in pauschalen Anrechnungsverfahren sollten Antragsteller:innen einen Bescheid erhalten, ganz im Sinne des Ablaufs eines Verwaltungsaktes. Nach Antragstellung auf eine pauschale Anrechnung folgt der Versand des Anrechnungsbescheides mit Rechtsbehelfsbelehrung an die antragstellende Person.

 

Müssen pauschale Anrechnungen an einen Kooperationsvertrag gebunden sein?

Eine pauschale Anrechnung muss nicht an eine Kooperation gebunden sein. Es kann auch ohne Kooperationsbeziehung durch den Vergleich von Lernergebnissen/Fächern aus Ausbildungsgängen ein Äquivalenzvergleich durchgeführt werden (z. B. wie im pauschalen Anrechnungsverfahren der Universität Oldenburg, in welchem jeweils zwei Bildungsgänge miteinander verglichen werden, siehe auch den eingesetzten Module Level Indicator).

Kooperationen zwischen der Hochschule und einem anderen Bildungsträger (z. B. Berufsfachschule) sind allerdings in den Hochschulgesetzen einiger Länder vorgesehen bzw. als Soll-Bestimmung formuliert (vgl. § 40 Abs. 3 HmbHG, § 20 Abs. 3 Nr. 3 LHG M-V, § 25 Abs. 3 HochSchG RLP). Über diese kann dann eine pauschale Anrechnung für Studierende mit Berufsausbildung eines kooperierenden Bildungsträgers geregelt sein.

 

Umgang mit Noten

Ist es möglich, dass sich Studierende nach bereits erfolgter Anrechnung eines (Teil-) Moduls anschließend zur Prüfung anmelden, um eine bessere Note zu erzielen?

Eine Regelung zur Notenverbesserung nach Anrechnung sollte zur Sicherung der Chancengleichheit sowie aus Qualitätssicherungsgründen analog zu Notenverbesserungsmöglichkeiten aller Studierenden gehandhabt werden. Hierzu ist eine transparente und eindeutige Regelung zum Umgang mit Noten, Prüfungsversuchen und Fristen in der jeweiligen Prüfungsordnung oder einer Satzung notwendig.

Ist in der Prüfungsordnung oder Satzung keine entsprechende Regelung zur erneuten Teilnahme an einer Prüfung zum Zwecke der Notenverbesserung (für alle Studierenden) hinterlegt, sollten Studierende im Sinne der Gleichbehandlung nach erfolgter Anrechnung eines (Teil-)Moduls diese Prüfung nicht erneut ablegen können.

Können sich Studierende gegen die Anrechnung von schlechten Noten entscheiden?

Es steht Studierenden frei, einen Antrag auf Anrechnung für bereits vorhandene Kompetenzen zu stellen. So können sie selbst entscheiden, welche Kompetenzen sie auf ihr Hochschulstudium anrechnen lassen wollen. Möchten Studierende eine bessere Benotung erzielen als die bisherige Benotung formal erworbener Kompetenzen, sollten sie von einer Anrechnung absehen, wenn diese an der Hochschule mit Übernahme der Note vorgesehen ist. Häufig erfolgt die Anrechnung ohnehin ohne Note. (Vgl. nachfolgende Frage „Wie bildet man eine Note, wenn die anzurechnenden Kompetenzen bisher nicht benotet wurden?“)

Wie bildet man eine Note, wenn die anzurechnenden Kompetenzen bisher nicht benotet wurden?

Wenn keine Note vorliegt und sie damit nicht übernommen werden kann, werden lediglich die ECTS-Punkte gutgeschrieben. Bei der Berechnung der Durchschnittsnote kann das angerechnete Modul dann nicht berücksichtigt werden. Somit reduziert sich die Anzahl der Module, anhand derer die Durchschnittsberechnung erfolgt und die anderen Module erhalten ein höheres Gewicht. Bei der Anrechnung von Lernergebnissen, die im Rahmen des informellen Lernens erzielt wurden, sollte die Anrechnung unbenotet erfolgen.

Die Hochschulen sollten zum Umgang mit Noten in Anrechnungsverfahren transparente Regelungen festlegen. (Vgl. Frage „Ist es möglich, dass sich Studierende nach bereits erfolgter Anrechnung eines (Teil-) Moduls anschließend zur Prüfung anmelden, um eine bessere Note zu erzielen?“ s.o.)

 

Fristen

Wie lange darf ein Anrechnungsverfahren dauern?

Eine verbindlich geregelte Dauer für Anrechnungsverfahren gibt es nicht. Relevant ist es, die (geschätzte) Dauer zu kommunizieren. In existierenden Leitfäden und Satzungen lassen sich Zeiträume von einem bis zu drei Monaten finden.

In Deutschland ist entsprechend des § 75 Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO) eine maximale Dauer von drei Monaten zulässig, nach deren Ablauf eine Untätigkeitsklage erhoben werden kann. MODUS empfiehlt eine möglichst zeitnahe Bearbeitung der Anträge vom Eingang der vollständigen Antragsunterlagen bis zur Mitteilung der Anrechnungsentscheidung, um Verzögerungen im weiteren Studium zu verhindern.

Welche Fristen gelten für die Einreichung des Antrags auf Anrechnung?

Ein Antrag auf Anrechnung kann frühestens ab erfolgter Einschreibung gestellt werden. Es kann sinnvoll sein, eine Frist für die Einreichung von Anrechnungsanträgen in einem Semester zu setzen, um beispielsweise die Bearbeitung von Anträgen bis zum Beginn der Vorlesungszeit oder der Prüfungsphase gewährleisten zu können. Da Kompetenzen nicht verfallen, muss eine Antragstellung in den Folgesemestern wieder möglich sein. Die Frist sollte also keine Ausschlussfrist darstellen. Zur Sicherstellung der Chancengleichheit für die Studierenden oder mit Qualitätssicherungserwägungen der Hochschule können spezielle Regelungen in den Prüfungsordnungen einhergehen. Diese beziehen sich bspw. auf die Prüfungswiederholung oder die Möglichkeit zur Notenverbesserung (vgl. Frage „Ist es möglich, dass sich Studierende nach bereits erfolgter Anrechnung eines (Teil-)Moduls anschließend zur Prüfung anmelden, um eine bessere Note zu erzielen?“ im Bereich Umgang mit Noten) und wirken sich auf den spätestmöglichen Zeitpunkt einer Antragstellung aus.

Können Studierende einen Anrechnungsantrag stellen, nachdem sie den ersten Prüfungsversuch nicht bestanden haben?

Es ist abhängig von hochschulspezifischen Regelungen, ob in einem solchen Fall ein Anrechnungsantrag gestellt werden kann.

Nachweise für Kompetenzen

Gibt es Regelungen dafür, welche Belege in einem Anrechnungsverfahren eingereicht werden müssen?

Hochschulübergreifende Regelungen gibt es hierzu nicht. Welche Belege in einem Anrechnungsverfahren eingereicht werden sollten, hängt im Wesentlichen von der Art des Verfahrens und des Bildungszusammenhanges ab, in welchem die Kompetenzen erworben wurden. In der Regel erfolgt jedoch keine Anrechnung ohne Belege der erworbenen Kompetenzen.
Als Nachweise eignen sich z. B.

  • Abschluss- und Prüfungszeugnisse

  • Zertifikate

  • Kursbeschreibungen bzw. Inhaltsangaben

  • Lern- und Arbeitsmaterialien, Arbeitszeugnisse

  • Beurteilungen

  • Stellenbeschreibungen

  • Arbeitsproben

Schlussendlich müssen alle Kompetenzen nachgewiesen werden. „Eigenbelege“ sind nicht zulässig.

Bei pauschalen Verfahren, die regelmäßig formal erworbene Kompetenzen adressieren, ist i. d. R. bereits im Rahmen einer Kooperation zwischen den Bildungsinstitutionen oder durch andere bereits erfolgte Äquivalenzvergleiche geprüft worden, welche Leistungen anrechenbar sind. Als Beleg über die erworbenen Leistungen ist hier das Abschlusszeugnis i. d. R. ausreichend.

Welche Unterlagen eingereicht werden müssen, legen die Hochschulen bzw. Fakultäten oder Fachbereiche fest.

 

Welche Dokumente können bei selbstständigen Tätigkeiten von den Antragsteller:innen eingereicht werden?

Als Nachweise für Kompetenzen aus selbstständigen Tätigkeiten sind Arbeitsproben (z. B. erstellte Konzepte, Angebote, Referenzobjekte, Verträge), Patente, Publikationen und Vorträge etc. geeignet.

Wie geht man damit um, wenn ein/eine Studierende:r nicht ausreichend Kompetenznachweise vorlegen kann?

Wenn nicht ausreichend Nachweise zur Prüfung vorliegen, können diese nachgefordert werden. Sollten Studierende keine weiteren Nachweise einreichen können, weil es diese nicht gibt bzw. ihnen nicht vorliegen, können Kompetenzfeststellungsverfahren zur Überprüfung angewendet werden.

Falls die Begutachtung eines Antrags schlussendlich einen Mangel an Kompetenzen nachweist, ist der Antrag abzulehnen. (Vgl. Frage "Was sind Kompetenzfeststellungsverfahren?" im Bereich Verfahren).

 

Dokumentation

Gibt es Vorgaben darüber, wie Anrechnungsverfahren und -entscheidungen dokumentiert werden müssen?

Das Anrechnungsverfahren stellt einen Verwaltungsakt dar und muss daher allen entsprechenden Anforderungen genügen. Dazu zählen u. a. die vollständige Dokumentation des Verfahrens, die Aufbewahrung der Dokumente für die rechtlich vorgesehene Dauer und die Begründung von negativen Entscheidungen. Der Bescheid ist schriftlich oder elektronisch zu fassen und den Antragsteller:innen zuzustellen.

Anrechnungsentscheidungen sollten in Datenbanken erfasst werden, um Konsistenz für zukünftige Anrechnungsfälle zu gewährleisten.

Werden Anrechnungen in Abschlussdokumenten sichtbar gemacht?

Der Beschluss der Kultusministerkonferenz vom 18.09.2008 empfiehlt hierzu:

„Im Interesse der Transparenz sind in das Diploma Supplement Informationen über den durch Anrechnung ersetzten Teil des Studiums aufzunehmen, die sich auf den Umfang und die Art der Ersatzleistungen beziehen.“ (KMK-Beschluss von 2008)

Ebenso können im Transcript of Records angerechnete Module als „angerechnete“ Leistung o. ä. gekennzeichnet werden. Eine Verpflichtung dazu gibt es nicht, aber diese Praxis könnte einem z. T. befürchteten „Anrechnungstourismus“ entgegenwirken.

 

Mehrfachverwertung von Leistungen, Obergrenzen

Warum liegt die Obergrenze für Anrechnungen bei 50 Prozent?

Eine Obergrenze für Anrechnungen wird empfohlen, um die Qualität des Studiums und der Studienziele zu gewährleisten. Es besteht aber bei der Anrechnung von Kompetenzen keine bundesweite Regelung. In Beschlüssen der KMK (vgl. 2002 und 2008) wurde die grundlegende Vereinbarung getroffen, dass die Höchstgrenze der Anrechnung bei 50 Prozent liegen sollte. Maßgeblich sind jedoch die Hochschulgesetze der Länder. Viele, wenn auch nicht alle Länder, haben die 50-Prozent-Grenze der KMK-Anrechnungsbeschlüsse übernommen. Je nach Rechtsgrundlage der Landeshochschulgesetze kann es zu unterschiedlichen Auslegungen kommen. Wie es auch in der Begründung zur Musterrechtsverordnung gemäß Artikel 4 Absätze 1-4 Studienakkreditierungsstaatsvertrag § 9 heißt, “können solche außerhalb des Hochschulwesens erworbene Kenntnisse und Fähigkeiten höchstens 50 Prozent eines Hochschulstudiums ersetzen“. Damit kann sichergestellt werden, dass ein wesentlicher Teil der Lehre in der unmittelbaren Verantwortung der verleihenden Hochschule stattfindet.

Können Leistungen, die bereits für den Hochschulzugang berücksichtigt wurden, noch einmal später auf ein Modul angerechnet werden?

In den Auslegungshinweisen zu den Ländergemeinsamen Strukturvorgaben für die Akkreditierung von Bachelor- und Masterstudiengängen (Handreichung des Hochschulausschusses der Kultusministerkonferenz vom 25.03.2011) heißt es dazu:

„1.3 Anrechnung: ‚Nachgewiesene gleichwertige Kompetenzen und Fähigkeiten, die außerhalb des Hochschulbereichs erworben wurden, sind bis zur Hälfte der für den Studiengang vorgesehenen Leistungspunkte anzurechnen. Auslegungshinweis: Außerhalb des Hochschulbereichs erworbene Kenntnisse und Fähigkeiten, aufgrund derer der Zugang zum Studium eröffnet wurde, können zusätzlich auch angerechnet werden.“

Daraus ergibt sich, dass allein die Tatsache, dass eine außerhochschulisch erworbene Kompetenz bereits im Rahmen des Zugangs eine Rolle gespielt hat, nicht deren Anrechnung innerhalb des Studiengangs entgegensteht. Im Fokus steht die Frage, ob die Antragsteller:innen die Kompetenzen vorweisen können.

Sonstiges

Haben Sie ein Beispiel für eine Anrechnung bzw. ein konkretes Anrechnungsverfahren oder Musterdokumente?

Beispiele guter Praxis für Anrechnungsverfahren finden sich in unserer Good Practice-Datenbank. Darüber hinaus sei auf die Datenbank zur (pauschalen) Anrechnung beruflicher Kompetenzen DAbeKom hingewiesen.

Welche Aspekte der Anrechnung werden bei der Akkreditierung geprüft?

Im Rahmen der sogenannten „Anrechnungsbeschlüsse der KMK von 2002 und 2008“ wurde u. a. die Vereinbarung getroffen, dass individuelle oder pauschale Anrechnung dann möglich ist, wenn die qualitativ-inhaltlichen Anrechnungskriterien im Rahmen der Akkreditierung überprüft werden.

Seit dem 01.01.2018 gilt der Studienakkreditierungsstaatsvertrag samt Musterrechtsverordnung über die jeweiligen Länder-Verordnungen: § 9 regelt besondere Kriterien für Kooperationen mit nichthochschulischen Einrichtungen. Insbesondere wird hier auf Qualitätsgesichtspunkte abgestellt. Der Staatsvertrag legt in Art. 2, Abs. 1 und 2, fest, dass die Qualitätssicherung und -entwicklung in Bachelor- und Masterstudiengängen gewährleistet sein muss und Maßnahmen zur Anrechnung von außerhochschulisch erbrachten Leistungen zu den formalen Kriterien gehören. Wenngleich die Anrechnung hier nicht begrifflich eigenständig erwähnt wird, wurde sie unter der Anerkennung subsumiert. Der Akkreditierungsrat hat Anrechnung und Anerkennung als Prüfkapitel in sein Raster für Berichte zur Programmakkreditierung aufgenommen.

Der Akkreditierungsrat informiert in seinen FAQ über Anerkennung und Anrechnung im Rahmen der Akkreditierung.

 

Hilft die Zertifizierung oder Validierung von Bildungsangeboten bei der Anrechnung?

Für das Anrechnungsverfahren kann es vorteilhaft sein, wenn Kompetenzen aus Bildungsformaten, die stark formalisiert sind und als Angebote formalen Lernens eine anerkannte Qualitätssicherung aufweisen, angerechnet werden sollen. Für die Prüfverfahren können dadurch einfache Nachweise vorgelegt werden. Bedingung kann es aber nicht sein, da auch Kompetenzen aus informellem Lernen u. ä. angerechnet werden können.

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